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CZ: Interview mit B. Ostermeyer anlässlich Jubiläums

Von der Streicherklasse über experimentellen Physikunterricht bis hin zum Skifahren und dem Mittagstisch in der „Kaverne" reicht das Angebot des KAV-Ganztags-Gymnasiums.

Kulturelles Wissen vermitteln

Lebenslanges Lernen wichtig


Gymnasium freut sich im Jubiläumsjahr über engagierte Schüler und Eltern


Das Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium feiert sein 200-jähriges Bestehen -und damit auch das der höheren Mädchenbildung in Celle. Dieses Datum bietet Anlass zur Besinnung, zu Rückblicken und Ausblicken verbunden mit einer kritischen Bestandsaufnahme.


CELLE. Schulen sind immer Teil der Gesellschaft, die sich galoppierend verändert. Soziologen sprechen von Kommunikations-, Risiko-, Wissenschafts-, oder Erlebnisgesellschaft. „Die Vielzahl dieser Denkmodelle belegt, dass es ,die Gesellschaft' gar nicht gibt", betont Bernd Ostermeyer, Direktor des KAV-Gymnasiums. Globalisierung und Europäisierung entziehen sich immer stärker einer Beschreibbarkeit. „Diese stark vergrößerte Unsicherheit wirkt sich als Verunsicherung auch in Schule aus. Noch nie waren die Ansprüche an Schule so hoch wie heute und noch nie konnte Schule diesen so wenig entsprechen wie heute." So empfinden es viele im Bildungsbereich Beschäftigte.
In den zurückliegenden zweihundert Jahren hat es immer wieder Veränderungen im Bildungsbereich gegeben. „In jedem Veränderungsprozess liegen auch Chancen begründet; diese können und müssen Sinn gebend genutzt werden. Gerade die Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit sollten uns Mut machen. Ausgehend vom Denkmodell der Informationsgesellschaft wurde ein ,just-in-time-Knowledge' gefordert. Diese visionären Anforderungen an Schule gipfelten in der Idealvorstellung ,Laptop statt Schulranzen'", so Ostermeyer. „Der unaufgeregte Umgang der Jugend mit diesem Arbeitsmittel ermöglichte es, dass Schule nicht knieend vor dem Götzen Computer' verharrte." Pädagogische Allgemeinplätze werden zunehmend als Halbwahrheiten entlarvt.
Niemand könne erklären, wie man das Ziel „Lernen des Lernens" eigentlich erreichen soll. Schwammig formulierte Schlüsselqualifikationen seien ebenfalls wenig hilfreich bei der Beantwortung der Fragen: „Wie und was soll in Schule gelernt werden?".
Eine Vielzahl von Abhilferezepten schwappten auf die Schulen zu und neue Fächer werden gefordert: Gibt es zu wenig Ingenieure, soll sofort das Fach Technik in der gymnasialen Mittelstufe eingeführt werden. Drogenprävention und Umwelterziehung seien so wichtig, dass sie schon längst eigenständige Fächer sein sollten. „Aber: Soll und kann Schule das leisten? Schule und besonders auch das Gymnasium sind heillos überfordert als ,Reparaturbetrieb' für zum Beispiel fehlende elterliche Erziehung", betont Ostermeyer.
„Gleichwohl sehen wir voller Optimismus in die nähere Zukunft - auch und gerade weil es ein großes Engagement in der Schülerschaft gibt; die Bereitschaft, etwas für die Gemeinschaft zu leisten und zusätzlich zu leisten - auch im sozialen Bereich.
Die intensive Mitarbeit und Mitverantwortung von Müttern und Vätern im Schulleben belegt eine besondere Qualität der Zusammenarbeit einer naturgemäß nicht immer konfliktfreien - aber im Ergebnis überaus positiven Mitgestaltung von Eltern im gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag", betont Ostermeyer.
Ebenfalls optimistisch stimme ihn „das unterrichtliche und außerunterrichtliche Engagement von Lehrkräften, die trotz verschlechterter Rahmen¬bedingungen ,Bildungsgeschehen' als ganzheitlichen Prozess verstehen und deshalb weit mehr als nur ihre Pflicht tun".
Galoppierende Veränderungen in der globalisierten Welt führten auch dazu, dass unterschiedlichste Wertorientierungen aufeinander treffen. Der Anteil des Selbstverständlichen sinke und der des Fragwürdigen steige. „Neben der Verunsicherung ist damit auch die Entzauberung der Erwachsenenwelt' verbunden", so Ostermeyer.
„Ebenfalls galoppierend ist die Zuwachsrate des menschlichen Wissens; ebenso ist die Vielzahl neu entstandener Symbole nicht mehr überschaubar. Jeder, der versucht ,up to date' zu sein, erlebt sein Scheitern. Diese Entwicklung zwingt uns dazu, die Frage „Was soll wie und wozu in der Schule gelernt werden?', immer wieder neu zu bedenken und zu beantworten."
„Am KAV-Gymnasium verstehen wir Bildungsgeschehen als innerpersonalen Ausformungsprozess, der möglichst lebenslang fortgesetzt wird. Die Arbeit an und mit ,übernützlichen' - ja auch klassischen - Gegenständen bietet hier gute Chancen. Die ganzheitliche ,Lern-Arbeit' in Musik und Darstellendem Spiel fördern die Ausbildung wichtiger personaler Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Frustrationstoleranz."
Daher werde das kulturelle Grundwissen vermittelt und gepflegt. „Kulturelle Identität wird auch in Zukunft Voraussetzung dafür sein, in der globalisierten Welt mitgestalten zu können."