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Ein Celler in London

Bild 1:<br>Prominente Sehenswürdigkeit:<br>der Buckingham Palast.<br>Ab und zu findet dort eine<br>königliche Gartenparty statt,<br>bei der sich die Queen<br>(unterm Sonnenschirm)<br>der Öffentlichkeit zeigt.<br><br>Bild 2:<br>Richard arbeitet in einer Bar im Bankenviertel Canary Wharf, das die Londoner auch als Mini-Manhattan bezeichnen.<br><br>Bild 3:<br>Der älteste Flohmarkt Londons im Stadtteil Notting Hill zieht seit dem gleichnamigen Spielfilm mit Julia Roberts und Hugh Grant viele Touristen an.<br><br>Bild 4: siehe Bild

Ein Celler in London


Richard Mächtel boxt sich durch das aufregende und teure Leben der britischen Metropole

Direkt nach dem Abitur ins Studium einsteigen?

Das ist Richard Mächtel aus Celle zu langweilig.

Wie viele andere Jugendliche entscheidet sich

der 20-Jährige für ein kreatives Jahr

im englischsprachigen Ausland.

Das Besondere dabei: Es handelt sich um kein

Austauschprogramm, kein work-and-travel,

kein soziales Jahr. Lediglich mit Koffer und

Notebook-Tasche ausgestattet, wagt der

ehemalige KAV-Abiturient den Sprung

in die Weltmetropole London.


LONDON. Als ich meinen Freunden das erste Mal von meinen Plänen erzählte, wollten es die wenigsten glauben. Die Idee, ohne eine feste Zusage für Unterkunft und Arbeit nach London aufzubrechen, schien den meisten zu riskant, gar utopisch. Viele fragten mich: warum die britische Hauptstadt?
Wohl kaum eine andere europäische Stadt ist so vielseitig attraktiv wie London. Die Weltmetropole beeindruckt mit ihrer reichen Kultur, verbindet historische Orte mit der Innovation des 21. Jahrhunderts. Die City of London, der Kern der Stadt, zieht jährlich über 30 Millionen Touristen an.
Zu Recht! Neben dem üblichen Pflichtprogramm - Westminster Abbey, Tower Bridge, Buckingham Palace, St. Paul's Cathedral, London Eye - lockt die Stadt an der Themse mit einem reichen Kulturprogramm. So sind zum Beispiel alle großen Musicals wie „Phantom of the Opera", „Cats", „Mamma Mia", „Dirty Dancing" oder „Billy Elliot" zentral vertreten. Die „coolste Stadt des Planeten" (Newsweek) ist Trendsetter in Sachen Mode, Musik, Lifestyle und Kunst für ganz Europa. Modedesigner schmücken sich selbstbewusst mit dem Namen der Fashionmetropole und präsentieren sich jährlich auf der Londoner Fashion Week.
Nach den Beatles starten viele britische Bands in der Hauptstadt die erhoffte Karriere und schaffen den Sprung ins ganz große Musikbusiness. Internationale Superstars wie Madonna, George Michael, Elton John, Robbie Williams oder Take That verdanken heute ihren Weltruhm bedeutend der britischen Metropole. Nicht zuletzt prägt der Begriff „Brit-Pop" die internationale Musikszene. Im Alter von 13 Jahren reiste ich das erste Mal nach London und war, wie so viele, absolut fasziniert. Es sind vor allem die Menschen, die einen positiven Eindruck hinterlassen. So multikulturell die Stadt auch ist, Angehörige verschiedenster Nationen kommunizieren ohne Probleme. Sei es aufgrund der enormen Anzahl an Touristen oder dem britischen „Way of Life": Londoner unterhalten sich gern, sind sogar beleidigt, wenn man sie nicht um Hilfe bittet, etwa bei Orientierungsproblemen.
So zögerte ich auch nicht mit Fragen, als ich Mitte Januar auf dem Londoner Flughafen Stansted mit einem Billigflieger aus Lübeck landete. Ich hatte lediglich die Adresse eines Hostels in der Nähe des international bekannten Kings Cross Bahnhofes vorab im Internet herausgesucht und mir telefonisch ein Zimmer gebucht. Soweit kein Problem. Die größte Herausforderung stand mir jedoch mit der Suche nach einer geeigneten Arbeit noch bevor.
Das Leben in London ist eines der teuersten der Welt: Für ein Zimmer im Hostel bezahlt man pro Nacht soviel wie für ein Vier-Sterne-Hotelzimmer in Deutschland. Wer jedoch vor Zimmern mit quietschenden Metallgerüst-Doppelbetten und Eisenwaschbecken, ähnlich einer Gefängniszelle, gegebenenfalls mit bis zu 11 weiteren Insassen, keine Panik hat, kann sich voll und ganz der Jobsuche widmen.
In Celle hatte ich gute Erfahrungen mit Initiativbewerbungen gemacht. Ich erhoffte mir daher mit meinen vorab gedruckten englischsprachigen Lebenslauf, dem Curriculum Vitae (CV), einen schnellen Erfolg und suchte in den ersten beiden Wochen Dutzende potenzielle Arbeitgeber auf. Ich bewarb mich bei Supermärkten, Bekleidungsläden, bei Starbucks Coffee Shops, den bekannten Fastfoodrestaurants und Hotelketten in der Gastronomie. Sogar an der Rezeption eines Fitnessclubs und im Kino fragte ich nach einer freien Stelle. Bücher mit Erfahrungsberichten von „Weltenbummlern", die ich mir vorab aus der Celler Stadtbibliothek ausgeliehen hatte, enthalten wichtige Informationen - unter anderem Adressen von Agenturen für deutschsprachige Telefoninterviews. Auch bei diesen Firmenvertretun¬gen versuchte ich einen Job zu bekommen. Ich musste schnell feststellen, dass es sehr schwer sein kann, in London eine Arbeitsstelle zu finden. So viele CVs ich auch verteilte, wochenlang bekam ich keine Antwort. Eine Freundin aus Celle, die ich aus dem Ruderclub meines ehemaligen Gymnasiums kenne und die seit vergangenem Sommer London studiert, gewährte mir Unterkunft in ihrem Wohnheim in Hampstead im Nordwesten Londons. Es fiel zunehmend schwerer, mich jeden Tag aufs Neue für die Jobsuche zu motivieren. Ich stieg auf andere Methoden um und suchte das örtliche Arbeitsamt, „Jobcentre Plus" genannt, für Abhilfe auf. Zudem hielt ich online auf den bekannten Stellenbörsen für London, wie zum Beispiel Monster.co.uk oder gumtree.com, Ausschau nach geeigneten Angeboten.
Letztlich war die Onlinesuche erfolgreich. Nach fünf Wochen bekam ich einen Job in einer Bar, die sich auf Wein spezialisiert hat und zudem über eine reiche Auswahl an internationalen Delikatessen verfügt. Die Niederlassung der „All Bar One"-Kette befindet sich im Bankenviertel Canary Wharf im Südosten Zentrallondons. Der ehemalige Industriehafen an der Themse, der nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit verbundenen Auflösung des britischen Empires nutzlos wurde, verfiel jahrzehntelang und wurde erst in der Thatcher-Ära durch eine Initiative zur Stadtneuplanung zum Businessviertel. „Mini Manhattan" nennen die Londoner stolz den seit 1991 von Wolkenkratzern geprägten Hafen und verweisen gern auf das mit 445 Metern höchste Gebäude Großbritanniens, den Canary Wharf Tower.
Ich suchte mir online eine neue Unterkunft in der Nähe meiner Arbeitsstelle und zog schließlich, wie so viele Londoner, in eine der unzähligen Wohngemeinschaften. Ich wohne nun in den Docklands, dem modernen Hafengebiet um Canary Wharf, und freue mich jeden Morgen beim Aufwachen aufs Neue über den traumhaften Blick auf das Wasser und die Skyline in der Ferne. Es sind Momente wie dieser, die mir bewusst machen, dass sich mein Abenteuer London erfüllt hat...

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