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Eloquente Wortgefechte in fundierten Kontroversen

Im Beckmannsaal diskutierten KAV-Schüler Streitfragen im Rahmen des „Jugend

debattiert“-Schulfinales

„Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.“ Schon im Matthäusevangelium wird vom Berge her
gepredigt: Klare Worte solle man sprechen, klare Positionen beziehen (statt etwa bei irgendetwas zu
schwören). Nun ging es am vergangenen Freitag, dem 30.01.2015, im Beckmannsaal des Kaiserin-
Auguste-Viktoria-Gymnasiums freilich nicht um neutestamentarische Theologie, wohl aber um
treffend formulierte Rede und Widerrede, mithin um fundiertes Argumentieren: Das Schulfinale des
Projekts „Jugend debattiert“ wurde wortreich ausgetragen.
Seit mehr als zehn Jahren nimmt das KAV-Gymnasium an dem bundesweit durchgeführten
Debattenprojekt teil. Ziel dieses unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehenden
Projekts ist es, die kommunikativen Fähigkeiten der Schüler ebenso wie ihre politische
Urteilsbildung zu stärken. Im Zentrum des Projekts steht also die Debatte, in der Schüler sich in
festlegten Pro- und Kontrarollen innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens über das Für und
Wider zu gegenwärtigen Streitfragen fundiert auseinandersetzen. Dem Schulfinale waren
Trainingstage vorausgegangen. Hier hatten sich etwa 50 Schüler im Rahmen kleinerer
Seminargruppen mit den Grundregeln des Debattierens und Argumentierens vertraut gemacht.
Dabei erwarben sie Fähigkeiten, die über das Projekt und den Wettbewerb hinaus von
grundlegender Bedeutung sind: Sie lernten, Sachkenntnisse zu einem Thema zu erwerben, um auf
fundierter fachlicher Basis zu debattierten, ihr Ausdrucksvermögen zu schulen, um ihre Aussagen
möglichst präzise zu formulieren, ihre Gesprächsfähigkeit zu entwickeln, um gezielt auf andere
Debattanten eingehen zu können, ihre Überzeugungskraft zu stärken, indem sie ihre Position und
Argumente stichhaltig und anschaulich begründen.
All dies umzusetzen, lag in diesem Jahr an Luca Gollub, Max Lindwedel, Arina Dietz und Henriette
Hütz für die Sekundarstufe I sowie an Johanna Cordes, Carolin Schauer, Paul Thunich und Marwin
Adam für die Sekundarstufe II. Die erste Gruppe debattierte dazu die Streitfrage: „Soll der Schulhof
videoüberwacht werden?“ Luca und Max vertraten hier die (wie ein Meinungsbild des Publikums
zeigte) eher unpopuläre Befürworterposition. Durch eine Videoüberwachung ließen sich Straftaten
auf dem Schulhof vermindern, etwa Gewaltausübung gegenüber einzelnen Schülern; auch eine
Reduzierung von Vandalismus (z.B. das Besprayen des Gebäudes) würde durch eine 24-stündige
Überwachung auch außerhalb der Schulzeiten gewährleistet. Arina und Henriette suchten diese
Position argumentativ abzuschmettern, indem die eine Videoüberwachung als unzulässigen Eingriff
in die Persönlichkeitsrechte der Schüler klassifizierten; deren „Recht am eigenen Bild“ würde
missachtet; in der Folge verschlechterte sich zudem das Schulklima, da sich Schüler durch die
ständige Beobachtung nicht mehr frei fühlen würden, sich kaum noch ungezwungen bewegen
könnten, wodurch eine ablehnend-negative Haltung gegenüber der Schule entstünde.
Die Schüler der Sekundarstufe II setzten sich mit dieser Problemfrage auseinander: „Soll für
Beschäftigte des öffentlichen Personenverkehrs das Streikrecht eingeschränkt werden?“ „Ja!“
lautete Johannas und Carolins Votum, das sie folgendermaßen begründeten: Gegenwärtige Bahn-
und Pilotenstreiks stellten unverhältnismäßige Eingriffe in das öffentliche Leben dar; eine kleine
Gruppe lege das öffentliche Leben lahm – mit großen negativen Auswirkungen auf die
Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber: Schädigungen von Unternehmen durch die Streiks seien
unausweichlich, da Arbeitnehmer nicht pünktlich zum Arbeitsbeginn erscheinen und Termine nicht
eingehalten werden könnten. Dadurch werde der Produktionsprozess beeinträchtigt, der ggf. gar
zum Erliegen kommen könne. Insgesamt entstehe so ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher
Schaden, der durch Einschränkung des Streikrechts stark gemindert würde. Dem hielten Paul und
Marwin einen  Verweis auf das Grundgesetz und das durch Artikel 9 geschützte Streikrecht
entgegen. Starke Einschränkungen des Streikrechts verschlechterten die Position der Arbeitnehmer
unangemessen gegenüber den Arbeitgebern: Jene hätten kein angemessenes Druckmittel mehr, um
eigene Lohnforderungen und andere Forderungen (z.B. bezüglich Arbeitsbedingungen) angemessen
durchsetzen zu können.
In diesem Jahr konnten Luca Gollub und Johanna Cordes den Schulsieg erstreiten. Sie nehmen am
12.02. gemeinsam mit den Zweitplatzierten (Henriette Hütz und Paul Thunich) am Regionalfinale
in Großburgwedel teil. Dort werden je Altersgruppe zwei Schüler aus Großburgwedel auf die
genannten KAV-Schüler treffen. Die beiden Bestplatzierten pro Altersgruppe debattieren wiederum
im März 2015 im Rahmen des Landesfinales, das im Niedersächsischen Landtag und unter
Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten veranstaltet wird. Seinen Abschluss findet auch der
diesjährige Wettbewerb letztlich im Bundesfinale. Die beiden besten Debattanten pro Altersgruppe
aus den einzelnen Bundesländern treten dann im Juni dieses Jahres in Berlin gegeneinander an. Als
Schirmherr des gesamten Wettbewerbs ist beim Finale in der Regel der Bundespräsident anwesend.

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