Abruf

"Ich dachte, die Deutschen mögen mich nicht." - Sudanesischer Flüchtling besucht den Politikunterricht der 10. Klasse

Aufgrund der aktuellen politischen Lage und unseres derzeitigen Themas „Migration“ kam in unserer Klasse der Wunsch auf, einmal persönlich mit einem Einwanderer in Kontakt zu treten. Unsere Lehrerin, Frau Spanholtz, erwies sich dabei als sehr engagiert und konnte uns schon bald ein Treffen mit einem Flüchtling zusagen. Gespannt erwarteten wir, die Klasse 10d des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasiums, also den Besuch von Diefala Alrieh (46).

Zum Zeitpunkt seines Besuchs, am 22.04.2015, wussten wir nicht mehr über Herrn Alrieh, als dass er einer der vielen Flüchtlinge aus dem Sudan ist, der vor neun Monaten seinen Weg nach Deutschland gefunden hat. Herr Alrieh, der als erster seiner 32 Geschwister studiert, zwei Ölfirmen gegründet und einen unglaublichen Fluchtweg hinter sich gebracht hat, schaffte es, jeden Einzelnen von uns zu beeindrucken. Der Grund seiner Flucht gleicht dem vieler anderer Flüchtlinge. Herr Alrieh war Regimekritiker und unter anderem als Vorsitzender der jungen islamisch-demokratischen Partei tätig. Nach langjähriger Gefangenschaft gelang es ihm im Jahr 2011, das Land legal, jedoch ohne jegliches Eigentum – auch ohne das Zertifikat über sein Physikdiplom – zu verlassen. Seine Frau und seine drei Kindern blieben vorerst im Sudan zurück. Schließlich holte Herr Alrieh seine Familie aber in die Türkei, bevor er sich ein Jahr später illegal auf dem Landweg nach Deutschland aufmachte.

„Deutschland ist für mich ein modernes, demokratisches Land“, sagte er zur Begründung seiner Zielauswahl und verkündete mit einem Lächeln, dass er Fan des FC Bayern München sei. Seit fünf Monaten lebt Herr Alrieh, noch illegal und daher im Kirchenasyl, in Eschede. Er hofft, mit Hilfe eines ehrenamtlichen Migrationshelfers einen Asylantrag stellen und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten zu können. Vier Tage pro Woche bekommt Herr Alrieh Deutschunterricht. Während der restlichen Zeit trifft er sich gern mit seinen sudanesischen Freunden zum Kochen oder spielt Billard im Internet-Café. Auf die Frage, ob er sich in Deutschland willkommen fühle, antwortete Herr Alrieh: „Der Umgang mit Deutschen war anfangs sehr schwer für mich. […] In Afrika sind die Menschen viel spontaner, offener, hilfsbereiter und gastfreundlicher. Am Anfang dachte ich, die Deutschen mögen mich nicht.“ Die Klasse verstand auf Anhieb, was gemeint war: Genauso verschlossen und wenig willkommen heißend wie manch ein Deutscher mussten auch wir ihm geschienen haben. Wir waren angespannt und wollten keine falschen Fragen stellen; alle waren sehr still, was normalerweise nicht vorkommt. Kurz gesagt: Wir wussten einfach nicht mit der Situation umzugehen, da uns Migranten doch etwas Alltagsfernes waren, abgesehen von den im Unterricht behandelten Fallbeispielen. Doch nach einer Weile entspannte sich die Stimmung, die Klasse freute sich, als Herr Alrieh seine Begeisterung für Fußball und den FC Bayern München verkündete. Auch ihm merkte man nach und nach an, wie er sich entspannte. Er erzählte lustige Geschichten, die ihm in Deutschland passiert waren, und stand plötzlich auf, um seinen Namen in vier verschiedene Schriften an die Tafel zu schreiben – Arabisch, Chinesisch, Suaheli und Japanisch. Er bot sogar an, zusammen mit seinen Freunden einmal für unsere Klasse zu kochen.

Herr Alrieh ist sehr bemüht, sich hier in Deutschland zu integrieren, was unter anderem an seinen Zielen für die Zukunft klar wird, an den Anstrengungen, Deutsch zu lernen, aber auch allein daran, dass er bereit war, seine Lebensgeschichte mit uns zu teilen. Für die Klasse war es eine großartige Erfahrung, dieses Gespräch mit Herrn Alrieh führen zu dürfen, und wir haben sehr viel aus diesem persönlichen Zusammentreffen gelernt. Wir hoffen für dich, Diefala, dass deine persönlichen Wünsche, die Anerkennung deines Asylantrages, eine Berufsausbildung, der deutsche Führerschein, aber vor allem, deine Familie nach Deutschland zu holen, in Erfüllung gehen.