Abruf

Mein Freiwilligendienst in Seoul

„Sag mal… Ziehst du das jetzt echt durch?“ Meine Freundin guckt mich entgeistert an. „Ein ganzes Jahr weg? Auf die andere Seite der Welt? Nach Südkorea, wo du niemanden kennst, und die sprechen da doch eine ganz andere Sprache und essen komische Sachen?!“ „Natürlich!“ Welche Antwort hätte ich sonst geben sollen. Frisch von der Freiwilligendienst-Organisation ICJA angenommen, die ersten Koreanisch-Stunden erlebt und den Kopf voller Träume über die himmelhohen Hochhäuser Seouls, knallrotes Kimchi voller Schärfe genossen und den dreijährigen Wunsch, nach Korea zu gehen, im Rücken, strahle ich meine Freundin an.

Selbstverständlich „ziehe ich das durch“, als es dann im August aber Abschiednehmen heißt, sind meine zwei FreundInnen, die auch ein FSJ in Korea machen, und ich doch ein bisschen wehmütig, während wir von der Gangway aus ein letztes Mal unseren Familien zuwinken. Sobald wir unsere Sitze erreichen, siegen jedoch endgültig die Aufregung und große Vorfreude. Vor uns liegen eine 18-Stunden-Reise und das geheimnisvolle Land Südkorea.

Die Ankunft und die ersten Tage im Arrivalcamp vergehen wie im Flug. Geprägt sind diese vom Jetlag, dem neuen Essen, in das sich alle sofort verliebt haben, und den ersten Erkundungen in unserer neuen Heimat Seoul, der Hauptstadt von Südkorea.

Schließlich beginnt dann nach zwei Wochen doch die Arbeit in unseren Projekten. Die meisten der 14 internationalen Freiwilligen arbeiten in den koreanischen CVJM-Centern und unterstützen den Englisch-, Mathe- und Sportunterricht für Kinder von vier bis acht Jahren. Andere arbeiten in Welfare-Centern, während ich in einem kulturellen Department bei der Planung und Umsetzung von Schoolclubs, Chören, Camps und vielen weiteren Aktionen mein Wissen und meine kreativen Ideen einbringen darf. Auch wenn es manchmal merkwürdig ist, plötzlich vor erwartungsvollen, koreanischen Schülern zu stehen, um AGs zu gestalten – während man vor wenigen Monaten noch selbst die Schulbank gedrückt hat – ist es wunderbar, endlich all die Dinge anwenden zu dürfen, die man zwölf Jahre lang gelernt hat. Hier gebührt dem KAV-Gymnasium übrigens ein dickes Lob, denn mit all den selbstständig erarbeiteten Präsentationen, Referaten und PowerPoints bin ich bestens vorbereitet auf meine jetzige Aufgabe. Danke von hier aus an all die Lehrerinnen und Lehrer, die uns immer wieder dazu aufgefordert haben!

Alle Freiwilligen arbeiten sieben Stunden an fünf Tagen in der Woche und wohnen in kleinen Gruppen zusammen in internationalen WGs. Für manche steht jetzt aber der Wechsel in eine koreanische Gastfamilie an – so auch für mich (Ich bin total gespannt, wie das wird!). Die restliche Zeit wird zumeist dafür verwendet, weiter Seoul zu erkunden, die eigenen Koreanisch-Fähigkeiten zu verbessern oder sich mit neu gefundenen Freunden zu treffen. Dazu bietet Seoul eine Vielzahl von Attraktionen: Von altehrwürdigen Palästen, bunten Märkten und traditionellen Teehäusern über gläserne Shopping-Paläste bis zu jetzt im Herbst in ein Farbenmeer verwandelten Parks und noch vielem, vielem mehr. Und wenn man dann doch mal zu erschöpft zum Erkunden ist, kann man es sich in einem der vielen Cafés gemütlich machen und exotische Kaffeevariationen wie zum Beispiel „Strawberry coffee mocha“ genießen.

Und während ich mit meinen Freunden daheim skype, höre ich immer wieder die zwei Fragen: „Bist du nicht einsam? Und hast du nicht Heimweh?“ Und ich kann nur ehrlich antworten: „Nein.“ Nach allem, was ich bisher erlebt habe, sind Koreaner unglaublich freundlich und immer bemüht, einen aus den misslichen Fettwannen zu befreien, in die man sich als Ausländerin versehentlich gesetzt hat. Sei es der Sicherheitsmann, der mir eines Sonntagsmorgens die Türen eines verschlossenen Departmentstores geöffnet hat, nachdem ich mich hoffnungslos in dem irrgartenähnlichen Hochhaus verirrt hatte, oder das verständnisvolle Lächeln, das einem geschenkt wird, wenn man mal einen kulturellen Fauxpas begangen hat.

Mir wird hier das Gefühl vermittelt, ein willkommener Gast zu sein, bis zu dem Punkt, an dem ich mich wie daheim fühle, auch wenn mich über 8.200 km von meinem alten Leben trennen. Ich bin mir in einer Sache vollkommen sicher: Dieser Freiwilligendienst war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, und ist ein wahrgewordener Traum.

Demnächst mehr und bis dahin herzlichen Gruß aus Seoul!