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Sommer im Winter

Minusgrade, ein bisschen Schnee in der Landschaft und kahle Bäume, kurz: Es ist Winter in Deutschland. Und auch wenn die typisch „weiße Weihnacht“ in den letzten Jahren eher ein Märchen als Realität war, so sind wir doch daran gewöhnt, dass es zwischen Dezember und Februar ab und an mal winterlich anmutet. Man stelle sich nun also vor, man fährt durch verschneite Gegenden und versucht nebenbei, das gefrorene Wasser aus einer Plastikflasche wieder aufzutauen – und dreißig Stunden später steht man bei knapp 30 Grad unter strahlend blauem Himmel.

Das passiert, wenn man von Deutschland aus im Winter ans andere Ende der Welt fliegt, genauer gesagt nach Neuseeland – wobei „Winter“ in diesem Fall Ansichtssache ist, denn zwischen Dezember und Februar ist dort Hochsommer. In Europa sind wir es gewohnt, wie selbstverständlich Winter und Sommer mit bestimmten Monaten zu verknüpfen, denn auf der Nordhalbkugel verhält es sich nun einmal so, dass wir um den Jahreswechsel Winter haben und in der Jahresmitte Sommer. Dass das so selbstverständlich gar nicht ist, wird einem erst richtig bewusst, wenn man in ein Land kommt, in dem die Sommerferien von Dezember bis Februar gehen und Weihnachten mitten im Sommer gefeiert wird. Da Neuseeland aber trotz seiner Lage kulturell recht europäisch geprägt ist, trifft man auch hier Schneeflocken-Dekorationen, Weihnachtsmänner im dicken Mantel, Rentierschlitten und Tannenbäume an. Und das wohlbemerkt bei 25 bis 30 Grad mitten zwischen Palmen am Strand. Viele Neuseeländer betrachten es als Weihnachtstradition, am Strand zu grillen, aber wenn man als Europäer plötzlich Teil eines sommerlichen Weihnachtsfestes wird, dann ist das zwar eine interessante Erfahrung, doch Weihnachtsstimmung kommt nicht so wirklich auf. Umgekehrt finden es aber gerade die Neuseeländer, die im wärmeren Teil des Landes wohnen, recht kurios, dass man Weihnachten auch im Winter feiern kann – und deren Kinder kommen vielleicht irgendwann einmal in den Genuss, festzustellen: Schnee ist ja nicht nur weich und glitzernd, sondern vor allem kalt!

Egal, zu welcher Jahreszeit man nach Neuseeland oder generell auf die Südhalbkugel reist und wann man wieder zurückkommt: In einem gewissen Maße macht sich immer Verwirrung breit, denn selbst, wenn man im deutschen Frühling beziehungsweise im neuseeländischen Herbst ankäme, würde man zum Beispiel geradewegs von einem Sommer in den nächsten Sommer gelangen. Grundsätzlich kennt man es zwar von äquatornahen Gebieten, dass Jahreszeiten dort keine Bedeutung haben, aber gründlich durcheinanderwürfeln kann man sie auch in anderen Breitengraden. Letztendlich bleibt die Frage: Was ist denn jetzt Sommer und was ist Winter? Haben wir Sommer im Winter oder Winter im Sommer?