Der KAV-CO2-Warner
Ein MINT-Projekt (nicht nur) zum Infektionsschutz
Das Lüften im Klassenzimmer ist seit jeher umstrittener Diskussionspunkt: Herrscht im Hochsommer allgemeiner Konsens, regelmäßig die Luft im Unterrichtsraum auszutauschen, spaltet sich die Schulfamilie in der nasskalten Jahreshälfte schnell in die Lager der vermeintlichen Frischluftfanatiker und der mutmaßlichen Frostbeulen. Dass die Wissenschaft dazu mahnt, etwa die CO2-Konzentration in der Raumluft niedrig zu halten, um das Lernen und Arbeiten im Klassenzimmer nicht zu beeinträchtigen, wurde dabei nicht immer als schlagendes Argument akzeptiert. Niemand hatte sich jedoch bisher vorstellen können, dass eine weltweite Pandemie die Diskussion um das regelmäßige Öffnen der Fenster und Türen im Unterricht erfasst und das Lüften zu einer der wichtigsten Maßnahmen des Gesundheits- und Infektionsschutzes in der Schule erheben könnte. (Hier finden Sie äußerst spannende Animationen zu Aerosolen u.a. in Klassenräumen bei ZEIT Online.)
Um die Schüler und Lehrer des KAV-Gymnasiums bei der sachgerechten Umsetzung der neuen Lüftungsregeln zu unterstützen, haben sich die MINT-Fachgruppen Physik und Informatik/dig.me unter der Koordination von Herrn Soltek, inspiriert von Veröffentlichungen der IoT-Werkstatt und der Zeitschrift „make“ dazu entschlossen, im Unterricht gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern sogenannte CO2-Warner für die Unterrichtsräume des KAV zu bauen und zu programmieren.
Aktuelle Studien legen nahe, dass die Konzentration des von unserem Stoffwechsel produzierten und von uns ausgeatmeten Gases Kohlenstoffdioxid (CO2) mit der Menge an ebenfalls von uns ausgestoßenen, winzig kleinen, für mehrere Stunden in der Luft schwebenden Flüssigkeitströpfchen, den Aerosolen korrelieren, was heißt: Je mehr CO2 in der Raumluft ist, desto mehr Aerosolpartikel sind ebenfalls darin vorhanden, die u.a. den SARS CoV2-Virus enthalten und verbreiten könnten. Mit den Vorgaben z.B. des Umweltbundesamtes oder der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV können CO2-Warner also dabei helfen, auch die Aerosolkonzentration durch bedarfsgerechtes Stoß- und Querlüften des Raums und damit auch das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Die CO2-Warner des KAV-Gymnasiums nutzen einen sogenannten NDIR-Sensor, um die Konzentration des Gases in der Raumluft durch das Absorptionsvermögen für infrarotes Licht zu ermitteln. Ein u.a. Wifi-fähiger Mikrocontroller liest die Daten aus und stellt sie auf einem LC-Display und zusätzlich mittels Leuchtdioden auf verschiedenen Warnstufen gut sichtbar dar. Mit diesen zahlreichen Halbleiterkomponenten handelt es sich um ein spannendes Projekt für den Physikunterricht des 10. Jahrgangs, der sich u.a. mit Grundlagen der Halbleiterelektronik beschäftigt. Aber nicht nur die Auseinandersetzung mit der Theorie, sondern auch die praktische Konstruktion des Messgeräts etwa mit der Schaltung und dem Löten der LED-Elemente am Controller gestalten wir gemeinsam mit den 10. Klassen.
Doch nicht nur die elektronischen Komponenten, auch deren Programmierung ist Gegenstand des Unterrichts am KAV. Da Sensor, Controller und Ausgabegeräte alle kompatibel mit der Arduino-Plattform sind, kann die grafikbasierte Programmiersprache ArduBlock, erweitert um zusätzliche Funktionen aus der IoT-Werkstatt genutzt werden, um die notwendige Software zum Betrieb der CO2-Warner zu entwerfen. Im Fach dig.me haben die Schüler die Gelegenheit, ArduBlock kennenzulernen, das Basisprogramm der CO2-Warner den Anforderungen entsprechend selbst nachzugestalten und sogar zu optimieren. Ein mittelfristiges Ziel ist es, die W-LAN-Schnittstelle der verwendeten Controller zu nutzen, um ein schulweites Monitoring der Unterrichtsräume zusätzlich für weitere Energiesparmaßnahmen zu schaffen.
Schon kurzfristig können Lehrkraft und Lerngruppe mit einem unserer Warngeräte ausgestattet in einem Klassenraum die Lüftungsintervalle und -dauern unabhängig von allgemeinen, starren Zeitvorgaben dem Raum, den Innen- und Außentemperaturen, der Witterung und dem tatsächlichen Frischluftbedarf entsprechend gestalten. Erste Erfahrungen mit Prototypen im Unterrichtseinsatz zeigen, dass je nach Raum- und Klassengröße Lüftungszeiten mitunter auch noch regelmäßiger als alle 20 min gewählt werden müssen. Ein Beispiel aus einem Klassenraum einer 10. Klasse stellt dies eindrucksvoll unter Beweis (siehe Abbildung).
Der CO2-Warner ist ein MINT-Projekt aus dem Unterricht für den Unterricht und eine gute Antwort auf die Herausforderungen des Jahres 2020 mit den Möglichkeiten der vernetzten Technik im 21. Jahrhundert.