Abruf

Bericht aus Uganda

Liebe KAVler ,
„Als mein Jahr der Freiwilligenarbeit in Uganda zu Ende ging, merkte ich plötzlich, dass ich nicht zurückgehen kann. Meine Eltern und die wenigen übrig gebliebenen Freunde können mich nicht mehr verstehen, und alle Worte, die ich gebrauche, um die Situation und meine Emotionen zu beschreiben, erzeugen bei ihnen doch nur absolut falsche Bilder und Vorstellungen. Es ist etwa so, als wenn man einem Blinden versuchen will Farben zu beschreiben. Ich bin ein einsamer Mann geworden, also entschied ich mich, ein Jahr länger zu bleiben, aber danach werde ich mich wohl der Realität stellen müssen". (Benjamin, ein 24 jähriger englischer freiwilliger Lehrer an einer Schule in Norduganda, den ich im Dezember in Kampala getroffen habe.)
Hier schreibt euch Hendrik, ein Ehemaliger, der sich erst letztes Jahr von der Schule verabschiedet hat und sich noch sehr mit unserem KAV verbunden fühlt. Schon vor über einem Jahr habe mich dazu entschlossen, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Afrika, etwa 5000 Kilometer entfernt am Äquator, zu leisten, um eine völlig andere Kultur kennen zu lernen, statt irgendwo für das deutsche Vaterland im Schützengraben rum zu kriechen.
Nun versuche ich, euch aus Uganda einen kleinen Artikel zu schreiben, wobei mir sehr wichtig ist, dass ihr versteht, dass es eigentlich nicht möglich ist, mit Worten Dinge zu beschreiben, die ich hier über Monate sehr komplex und einzigartig in mir verarbeiten muss. Daher das Zitat am Anfang.
Wie ihr vielleicht wisst, bin ich eigentlich im äußersten Westen des Landes in dem kleinen Dorf Nyahuka tätig, in dem ich bei zwei Priestern lebe und tagsüber an verschiedenen Projekten arbeite. Eigentlich sollte das Ganze ja von meiner „Organisation" klar definiert sein. Aber so etwas wie „Gastfamilie, 38 Stundenwoche, Verpflegungsverpflichtung" und vieles mehr sind hier absolute Fremdwörter . Wenn ich wollte, könnte ich den ganzen Tag rumhängen und meine Zeit absitzen, aber dafür ist sie mir einfach zu schade. Da das „Projekt", in dem ich bin, jedoch auch nicht wirklich existiert, schaffe ich mir meine Arbeit eher selber. So habe ich nun ein Fußballteam, das ich jeden Tag coache, und dank unseres Jahrganggeldes, das als Spende für Afrika geplant war, auch mit Trikots, Bällen und Equipment versorgen konnte. Außerdem coache ich noch ein Netballteam (ähnlich wie Basketball alleine für Frauen). Ich habe eine Laufgruppe an einer ansässigen „highschool" sowie eine Theatergruppe etwas tiefer im Busch. Das macht alles sehr viel Spaß und es ist so spannend zu beobachten, da natürlich nichts so funktioniert wie in Deutschland. Alles hat seine anderen Spielregeln. Und es ist immer wieder ein Abenteuer erfolgreiche Zugänge zu finden. Der Sport ist einer der wenigen Wege, auf dem man Werte wie Disziplin, Teamgeist und Pünktlichkeit mit Spaß vermitteln kann. Allerdings möchte ich jetzt noch mehr für die Waisenkinder tun. Es gibt durch den Krieg mit einer Rebellengruppe, der erst 4 Jahre her ist, und extrem vielen Malariatodesfälle so viele arme Waisen, die ohne Unterstützung absolut keine Zukunft haben und von denen mindestens 50 % in den nächsten Jahren sterben würden. Man muss irgendwann in Zahlen denken und emotional abblocken, um nicht depressiv zu werden. Aber das klappt recht gut... ich müsste zuviel schreiben, um das zu erklären. Jedenfalls möchte ich jetzt ein Gelände und ein verfallenes „Haus", das mir für einen guten Zweck zur Verfügung gestellt wurde, in Schuss bringen und später mit einer eigenen Organisation etwa 30 Kindern langfristig eine Zukunft ermöglichen. Wenn man nicht naiv sein will, muss man sagen, dass der Berg an Arbeit, der damit verbunden ist, vielleicht auch zu hoch ist. Aber beim ernsthaften Versuchen kann ja eigentlich nichts schiefgehen, und wenn es nichts wird, dann habe ich wenigstens viel dabei gelernt. Es bleibt jedoch auch die Realität, dass diese Kinder dann wahrscheinlich sterben müssen, wie es Millionen afrikanischer Kinder ja eh jedes Jahr ergeht...
Zum Glück verschließen nicht alle die Augen davor in ihrem so normalen Alltagsleben in Deutschland. So ließ sich eben mit Sebastian Poschmann ein Lehrer finden, der sofort bereit war, mein Anliegen, den Priestern mit einem Solarsystem ihre großartige Arbeit zu erleichtern, tatkräftig am KAV zu unterstützen. Von Herzen danke ich ihm und Frau Salden, der SV und der Schülerzeitung, der Big Band und den Eltern für ihr überwältigendes Engagement! Nicht zuletzt Herrn Ostermeyers Genehmigung all eurer Aktivitäten hat es ermöglicht, dieses Solarsystem zu finanzieren, das den Priestern wirklich bei ihrer Arbeit für die Menschen helfen und auch die angrenzende Vorschule mit Licht versorgen wird. Ich bin allen Spendern und aktiven Helfern, Lehrern wie Schülern und Eltern super dankbar für diese Unterstützung!
Wichtig ist wirklich, dass man solche Geschenke hier nur an soziale und hart arbeitende Menschen macht, da Spenden eher zu einer bisher schon weit verbreiteten Bettelkultur führen, die die Menschen nur utopischer von dem Geldsegen aus Europa oder von einem gebenden Gott träumen und somit fauler werden lassen. Die Entwicklungshilfe ist wirklich ein sehr sensibles und kritisches Thema. Aber ihr könnt gewiss sein, dass unser Geschenk seine Früchte tragen wird und kein falsches Zeichen setzt! Außerdem ist es sogar ein wenig historisch, da es in Nyahuka und Umgebung die erste Stromversorgung für ein einheimisches Haus ist. J
Leider konnte ich seit nun schon fast zwei Monaten nicht zurück nach Bundibugyo reisen, da ausgerechnet dort eine neue Form des Ebola-Virus ausgebrochen ist, an der viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Aufgrund der schlechten Behandelbarkeit und der hohen Ansteckungsgefahr durfte ich aus der Hauptstadt Kampala, in die ich geflogen war, um Dinge wie Fußbälle zu besorgen, nicht wieder zurück. Ich hoffe aber, dass es spätestens im März soweit sein wird! Bis dahin bin ich in einem anderen Projekt in einem Dorf nahe Kampala untergebracht.
Ein weiteres blödes Problem ist derzeit, dass es in ganz Uganda kein Benzin mehr gibt. Uganda wird über Kenia beliefert, und da dort momentan wegen der sehr knappen Präsidentschaftswahl bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, fährt kein Transporter mehr nach Uganda. Es zeigt mir zwei wichtige Tatsachen auf: Diese Welt ist absolut global geworden, und wie ein Fernsehsprecher hier gesagt hat: „Wir merken, dass Kenias Probleme auch unsere Probleme sein müssen", ist eine wichtige Erkenntnis, auch für uns! Außerdem sehe ich, wie nach und nach die Infrastruktur zusammenbricht. Zunächst der Personenverkehr, weil die Benzinpreise, wenn noch was da war, auf 6 Euro pro Liter und mehr geklettert sind. Auch ein Grund, warum ein Transport nach Bundibugyo für mich derzeit nicht möglich ist! Schlimm wird es dann, wenn keine Lebensmittel mehr transportiert werden können und irgendwann das Plündern und Gewalt einsetzen, da einfach nichts mehr zu Essen da ist. Aber vorher wird hoffentlich wieder geliefert werden. Außerdem hat das Ministerium offiziell die Einreise nach Bundibugyo District verboten. Ich habe aber von meinem Organisationsleiter in Kampala die Genehmigung (bin in Uganda - nicht in Deutschland), für zwei Tage zurück zu fahren, um in Fort Portal mit Patrick, dem Priester, das Solarsystem zu kaufen. Das werde ich nächste Woche tun. Mit unserer Alternativenergiespende an die Priester machen wir Uganda auch ein Stück unabhängiger. J Vielleicht denkt ihr ja daran, wenn ihr das nächste Mal in Politik über Atom- und Alternativenergie oder Probleme im Nahen Osten diskutiert! Auch wir sind gefangen in diesen globalen und sensiblen Abhängigkeiten.
Soweit erst einmal von mir am Äquator. Im Jahrbuch wird dann ein ausführlicher Bericht erscheinen. Vieles klingt sicherlich schrecklich und schlimm, aber ich kann euch versichern, dass es mir hier doch insgesamt sehr gut geht. Die Menschen lachen viel und sind sehr offen und freundlich. Man nimmt das Leben wie es ist, was bleibt einem auch sonst übrig? - Lebensfreude hat wirklich ihre verschiedenen Dimensionen. Es stellt sich überall ein Alltag ein, und mehr als ein bisschen Arbeit kann ich nun mal nicht geben!
Am Ende möchte ich euch dann doch noch mit Nachdruck darauf hinweisen, dass es für jeden von euch nach der Schulzeit die Möglichkeit gibt, für z.B. ein Jahr andere Länder zu erkunden und fremde Kulturen kennen zu lernen. Alle Kontinente sind spannend und garantieren euch unbezahlbare Erfahrungen für das ganze Leben! Nochmals vielen Dank aus z.Zt. Namajumba an alle, die so toll mitgeholfen haben!!! Euch allen viel Freude, Gesundheit und Zufriedenheit in 2008!Mehr Informationen findet man auch im neuen Jahrbuch des KAV-G, das die SV im Frühjahr herausgeben wird.