Abruf

Himmelsfall

Bei der Kurzgeschichte handelt es sich um ein Ergebnis aus der Projektwoche. Viel Spaß beim Lesen.

Ich höre ihre verzweifelten Schreie. Ich spüre die Schwerelosigkeit, während ich falle. Immer tiefer, immer weiter. Das Dröhnen des peitschenden Windes liegt mir schmerzhaft auf den Ohren. Ich spüre wie mir schwarz vor Augen wird. Ich sehe noch das verschwommene Gesicht meiner Mutter, bevor mich die Dunkelheit umschlingt.

Vier Stunden zuvor.

Ich beobachte, wie das Flugzeug zum Start ansetzt und sich schließlich mit seinen massigen Flügeln in die Luft erhebt. Der Himmel ist strahlend blau und keine einzige Wolke ist weit und breit zu sehen. Das sind gute Voraussetzungen für einen Flug. Ich starre auf das lange schmale Stück Papier in meiner Hand. Boarding Pass steht oben rechts auf dem schmalen blauen Streifen. Daneben in deutsch steht Bord Karte. Ein Flug von Frankfurt am Main nach Mallorca. Die Startzeit ist mit 12:05 Uhr gekennzeichnet. Die Ankunftszeit mit 14:15 Uhr.

Wir haben unsere Karten gerade beim Check-In abgeholt und müssen gleich zur Passkontrolle. Wenn meine Eltern irgendwann kommen. Mein Vater als Fanatiker antiker Gegenstände ist sofort zu einem Mann mit blauem Anzug gelaufen, als er seinen Koffer, der scheinbar klein genug für das Handgepäck war, gesehen hat. Währenddessen gibt meine abergläubische Mutter den Leuten Tipps wie sie sich am besten vor Unglück schützen.

Seit Tagen ist sie total nervös wegen dem Flug. Vor allem da mein Vater ausgerechnet an einem Freitag den 13. buchen musste. Heute morgen ist ihr vor Aufregung ihr Handspiegel runtergefallen und zerbrochen. Das hat sie dann nur noch nervöser gemacht.

Als sie auf dem Weg zum Flughafen einen schwarzen Raben gesehen hat, der verdächtig nach einer Amsel aussah, ist sie so durchgedreht, dass der Taxifahrer beinahe einen Unfall verursacht hat. Spätestens als mein Vater ihm dann noch vorgerechnet hat wie viel Geld wir hätten bezahlen müssen wenn das Taxi beschädigt worden wäre, muss der Taxifahrer gedacht haben unsere Familie wäre komplett verrückt. Sechs geschlagene Minuten später höre ich schließlich meinen Namen: Esther! Meine Mutter kommt auf mich zu. „Esther, wir wollen gleich noch schnell was essen bevor wir zur Sicherheitskontrolle gehen.“

„Zur Passkontrolle.“ korrigiere ich sie. „Ja, meinetwegen. Dein Vater kommt gleich. Er versucht nur gerade diesem armen Mann den Koffer abzukaufen. Wie auch immer er das anstellen möchte.“ Ich spähe hinter meine Mutter und sehe meinen Vater, wie er mit dem Mann von vorhin wild diskutiert. Mit Mühe können ich und meine Mutter meinen Vater von dem Fremden wegzerren. Zehn Minuten später sitzen wir in einem der Restaurants am Flughafen und verputzen unser Essen. Nachdem wir gegessen haben, gehen wir zur Passkontrolle. Dort stehen wir eine halbe Stunde, wenn nicht sogar länger. Weiter gehen wir zur Sicherheitskontrolle. Nach einer Ewigkeit warten wir endlich zusammen mit den anderen Passagieren in unserer Zone auf unser Flugzeug. Schließlich können wir in unser Flugzeug steigen. Sobald ich eingetreten bin, nehme ich schon das Gekicher und Getuschel der anderen Passagiere wahr. Einige räumen ihr Handgepäck noch ein. Ich werde stutzig als ich sehe wie ein Mann den ich noch nie gesehen hab einen kleinen antiken Koffer auf die Ablage hebt. Als meine Mutter mich zu unseren Plätzen drängt, vergesse ich es jedoch schnell wieder. Während ich ein Buch lese, fächelt meine Mutter sich mit einem Fächer durchgehend Luft zu. Bei einem Luftloch höre ich wie sie kurz nach Luft schnappt und als der Pilot ankündigt, dass wir bald landen werden, atmet meine Mutter erleichtert auf.  Von meinem Vater vernehme ich nur ein Schnarchen.

Dann auf einmal ertönt ein lauter Knall. Ich höre, wie die Passagiere in Panik ausbrechen. Ein lautes Knarzen, wie wenn man auf eine alte Diele tritt. Nur viel viel lauter. Ich spüre, wie nun auch in mir die Panik hochkommt. „Verfallen Sie bitte nicht in Panik. Das ist reine Routine.“ ertönt eine Frauenstimme aus unsichtbaren Lautsprechern. „Bewegen Sie sich nun bitte ganz vorsichtig und ruhig zu den Fallschirmen.“ Ich schaue zu meiner Mutter. Sie ist kurz davor in Tränen auszubrechen. Auch ich kann meine Tränen kaum zurückhalten. Doch bevor ich meinen Vater wecken kann, wird das Flugzeug von einem Beben erschüttert und direkt vor meinen Augen explodiert der hintere Teil des Flugzeuges und wird weggerissen. Einfach so. Als wäre es nur ein morsches Stück Holz und keine riesige Kiste aus Metall. Der hintere Teil ist nun frei und der Wind peitscht mir ins Gesicht. Meine Ohren schmerzen vom Druck. Die anderen Passagiere wimmern und schreien. Ich höre ihre verzweifelten Schreie. Ich spüre die Schwerelosigkeit, während ich falle. Immer tiefer, immer weiter. Das Dröhnen des peitschenden Windes liegt mir schmerzhaft auf den Ohren. Ich spüre wie mir schwarz vor Augen wird. Ich sehe noch das verschwommene Gesicht meiner Mutter, bevor mich die Dunkelheit umschlingt.